Mittwoch, 17. Juli 2013

Datensammelwut

Vor Jahren sind die Deutschen noch auf die Barrikaden gegangen als eine Volkszählung nach Informationen gefragt hatte, von denen man der Meinung war, das ginge dem Staat nichts an. Dieses Jahr stellt sich heraus, das ein US Geheimdienst massiv Internetverbindungen angezapft hat und es bleibt überraschend ruhig – keine Demonstrationen der Massen; lediglich Schulterzucken überall – man habe es ja irgendwie geahnt.

Auch nachdem bekannt wurde, dass diese Datenerfassung auch auf deutschem Boden – also im deutschen Rechtsraum – stattgefunden hat. Ruhe. Die Reaktionen – oder besser die Nichtreaktionen der politischen Kaste ist ein gesonderter Beitrag wert, das lasse ich mal draußen vor. Was sagt uns das?

  1. Der Datenschutz ist eine Lachnummer – was gesammelt werden kann, wird auch gesammelt. Da es politisch nicht opportun ist, etwas dagegen zu tun, wird es auch nicht getan.
  2. Die politischen Konsequenzen, die gefordert werden müssen, sind andere. Was möchte ich erläutern.

Daten werden gesammelt. Der Geheimdienst sammelt; die Internetfirmen sammeln; Geldinstitute sammeln; Einzelhandelsunternehmen sammeln. Jeder sammelt. Und wer sammelt, tut dieses, um die Daten zu verwenden. Es ist ja schließlich nicht wie Briefmarkensammler, die sich daran ergötzen, dass sie die komplette Blumenserie der Fidji Insel im Album haben. Nein, es wird gesammelt, um aus den Daten Handlungen ableiten zu können.

Vor Jahren als vermehrt in deutschen Konzernen das Personal-Abrechnungs-und Informationssystem „Paisy“ eingeführt werden sollte, wehrten sich Betriebsräte und Gewerkschaften gegen diese Einführung. Man könne sehr einfach Suchläufe starten und sich somit in kürzester Zeit Listen der Mitarbeiter ausgeben lassen zum Beispiel zum Thema Krankenstand. Man könne somit also gezielt die Mitarbeiter suchen, die in einem Zeitraum die meisten Kranktage hätten. Bei Stellenabbau hätte man somit schnell Informationen, wen man bevorzugt „freisetzen“ wolle. Es wurde gefordert, dass solche Auswertungsläufe nicht oder nur nach Absprache mit dem Betriebsrat geschehen sollten.

Ich war Teil dieses Protestes wurde aber bald von dritter Seite von der Sinnlosigkeit des Protestes überzeugt; so lägen diese Informationen vor; man könne es nicht verhindern, dass solche Auswertungsläufe gestartet würden und wenn es heraus käme, dass es gemacht wurde, wäre dieses „ohne Wissen des Managements“ geschehen und der mögliche „Schuldige“ würde bestenfalls einen Klaps auf die Hand bekommen. Was aber nicht verhindere, dass die Auswertungen vorlägen, und, wenn sie schon vorlägen, könne man sie auch verwenden.

Das Problem ist ein anderes: solange man der Firmenleitung zugesteht, dass sie nach mehr oder weniger eigenen Gutdünken existentielle Entscheidungen über die Mitarbeiter treffen, sich für diese Entscheidungen nicht rechtfertigen müssen, solange ist es eigentlich egal, wie sie zu diesen Entscheidungen kämen – mehr oder weniger zufällig – mir gefällt dessen Gesicht nicht – oder nachdem sie die Personallisten nach irgendwelchen Kriterien durchsucht haben.

Und an dieser Situation hat sich in den letzten mehr als dreißig Jahren nichts geändert. Der Datenschutz läuft hinter der Technik her und versucht die Datensammelwut der staatlichen Stellen und privater Firmen zu unterbinden. Mit immer weniger Erfolg.

Die Daten liegen vor. Sie werden gesichtet und interpretiert und es werden Entscheidungen abgeleitet – hier kommt jemand auf eine No-Fly-Liste, dort wird jemanden die Lebensversicherung verweigert oder nur zu horrenden Preisen angeboten, bei einem dritten taucht der Staatsschutz an der Tür auf. Warum erfährt man nicht, weder welche Daten vorliegen noch ob diese richtig interpretiert wurden.

Solange also staatliche und privatwirtschaftliche Institutionen weitreichende Entscheidungen über unser Leben treffen können, für die sie nicht begründen, belegen oder rechtfertigen müssen, gegen die es wenig oder keine Handhabe gibt, solange ist die Datensammelwut eigentlich ein Nebenthema. Und wenn es irgendwann gelingen sollte, diese Institutionen für ihre Handlungen verantwortlich zu machen und sie dazu zu bringen die getroffenen Entscheidungen zu revidieren, dann wiederum ist es tatsächlich egal welche Informationen sie haben. Nur ist es wenig wahrscheinlich, dass dieses bald passiert.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen